Cover Dan Simmons: Im Auge des Winters. Foto: Heyne
Horror

Dan Simmons: Im Auge des Winters

Nachdem ich letztens „Sommer der Nacht“ von Dan Simmons vorgestellt hatte, wollte ich gleich „Im Auge des Winters“ nachschieben. Es knüpft dreißig Jahre später an die Handlung an. Auch im wahren Leben verstrich viel Zeit zwischen den beiden Romanen: „Sommer der Nacht“ erschien 1991 (in Deutschland ein Jahr später) und „Im Auge des Winters“ 2002 (2006 in Deutschland).

Reise in eine dunkle Vergangenheit

30 Jahre sind seit dem schrecklichsten Sommer vergangen, den Dale Stewart je erlebt hat. Damals war er noch ein zwölfjähriger Junge, der sich mit seinen Freunden einer finsteren Bedrohung stellen musste.

Mittlerweile ist Dale erwachsen, hat eine Familie und eine Karriere als Dozent und Schriftsteller. Wobei … seine Familie droht zu zerbrechen und er ist ein Jahr von der Arbeit freigestellt, um seinen nächsten Roman zu schreiben. So ganz perfekt läuft sein Leben also nicht.

Um Inspiration für sein neues Werk zu erhalten, kehrt Dale in seine Heimatstadt Elm Haven zurück. Den Sommer des Jahres 1960 hat er tatsächlich verdrängt und kaum noch Erinnerungen daran. Doch in seiner Heimat holt ihn die Vergangenheit ein. Er trifft dort nicht nur auf alte Bekannte, sondern auch auf vergessene Schrecken.

Wiedersehen mit Elm Haven

Wenn man einen Roman liest, in dem man vereinzelte Charaktere bereits kennt, ist das immer ein schönes „Wiedersehen“. So verhält es sich auch mit Dale Stewart, der bereits in „Sommer der Nacht“ eine der wichtigsten Figuren war. Allerdings hat dieser Dale nichts mehr mit dem jungen Dale von damals zu tun. Das liegt natürlich an der verstrichenen Zeit: Immerhin sind dreißig Jahre für die Figur vergangen, und auch für Simmons vergingen mehr als zehn Jahre zwischen den beiden Romanen.

Diese Veränderungen sind drastisch. Aus dem aufgeweckten, mutigen kleinen Jungen ist ein resignierter, suizidgefährdeter Mann in der Midlife-Crisis geworden. Und auch wenn diese Entwicklung logisch begründet wird, ist es teilweise ziemlich mühsam, diesem frustrierten Protagonisten noch viel Sympathie entgegenzubringen.

Überhaupt kann keine der Figuren wirklich überzeugen. Vor allem sind die meisten alten Bekannten, die Dale in seiner Heimat wiedersieht, tatsächlich nur Nebencharaktere, die kaum Emotionen erzeugen. Es liest sich vielmehr, als hätte Dan Simmons hier eine Fingerübung für sich selbst gemacht, die dann doch irgendwie in die Druckerpresse geraten ist.

Und wie im Vorgänger braucht der Roman seine Zeit, bis er ins Rollen kommt. Bei diesmal aber nur 400 Seiten Umfang wirkt dieser längere Anlauf umso mühseliger. Und auch der angenehme Grusel des ersten Elm-Haven-Romans blitzt hier nur selten auf. Dank Simmons’ wunderbarem Stil liest sich das Ganze zwar auch wieder sehr angenehm, aber es gibt einfach keine wirklich mitreißende Story.

Sentimentale Fingerübung?

„Im Auge des Winters“ wird seinem Vorgänger in keiner Weise gerecht. Was Dan Simmons hier abliefert, liest sich eher wie eine Fingerübung oder ein sentimentaler Rückblick auf das eigene Werk als wie ein ernstzunehmender Roman. Grusel kommt kaum auf und die Verbindungen zu „Sommer der Nacht“ sind zu unbedeutend, um mich wirklich wieder nach Elm Haven zu bringen. Die Reihe ist damit übrigens abgeschlossen.

4/10 Heimkehrer

Die nackten Fakten

Deutscher Titel: Im Auge des Winters
Reihe: Elm Haven – Band 2
Originaltitel: A Winter Haunting
Autor: Dan Simmons
Verlag: Heyne
ISBN: 9783453521421
Erscheinungsjahr: 2006
Seitenzahl: 400

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