
David Osborn: Köpfe
Starten wir mit einem älteren Buch in den „Gruseltober“. Beim Durchstöbern der elterlichen Bücherregale bin ich letztens über einen kleinen Schatz gestolpert: „Köpfe“ von David Osborn, eine meiner frühsten Berührungen mit dem Horrorgenre. Ich weiß noch, dass ich das Buch zum ersten Mal mit zwölf in den Fingern hatte, damals aber abgebrochen habe, weil es mir zu gruselig war. Erst ein paar Jahre später folgte der zweite Versuch – diesmal mit Erfolg. Und jetzt, noch mal zwanzig Jahre später, musste ich einfach wieder reinlesen.
Dunkle medizinische Geheimnisse
John Flemming ist auf der Überholspur: Als Spross einer alten, vornehmen Familie ist er der jüngste Direktor des Gehirnforschungslaboratoriums der Universitätsklinik in Washington. Nicht durch Vitamin B, sondern weil er schlichtweg genial ist. Der Nobelpreis scheint schon in greifbarer Nähe. Zudem ist er glücklich liiert mit der Neurobiologin Susan, die ihm nicht nur als seine bessere Hälfte, sondern auch bei der Arbeit als seine Assistentin zur Seite steht.
Und dann, von einem Moment auf den anderen, ändert sich alles. Bei einem schrecklichen Autounfall wird John schwer verletzt, er erleidet starke Verbrennungen und ist dem Tode nahe. Und schließlich wird Susan davon in Kenntnis gesetzt, dass John tot ist. Für die junge Frau bricht eine Welt zusammen.
Nach der Beerdigung stürzt sich Susan in ihre Arbeit, um zu vergessen und sich abzulenken. Als sie das Angebot bekommt, in einem renommierten Labor Johns Arbeit zur Gehirnforschung fortzusetzen, nimmt sie an. So kann sie einen Neuanfang wagen, ohne Johns Vermächtnis zu vernachlässigen.
Doch ihr neuer Arbeitsplatz bei der Borg-Harrison-Stiftung birgt einige dunkle Geheimnisse. Geheimnisse, die Susan nur zufällig entdeckt und die ihre Welt völlig auf den Kopf stellen. Und plötzlich muss sie gegen skrupellose Wissenschaftler und dubiose Machenschaften angehen.
Wie weit darf Wissenschaft gehen?
Der amerikanische Autor David Osborn arbeitete als Drehbuchautor und kam erst spät zum Schreiben von Romanen. Seit den 1970er Jahren widmete er sich dieser zweiten Karriere. Heraus kam unter anderem „Köpfe“ aus dem Jahr 1985. Es lässt sich jetzt darüber streiten, ob man den Roman in „Horror“ oder in „medizinischer Thriller“ einsortiert. Für mich war es damals beim ersten Lesen jedenfalls ein klarer Horrorroman. Und lasst euch nicht von dem Cover abschrecken! Das obige Cover ist tatsächlich das Original aus den 80ern, insofern darf man da kein stylishes Highlight erwarten.
Auch beim zweiten Lesen hat mich „Köpfe“ hier und da wieder schaudern lassen (nicht mehr so schlimm wie damals, aber immer noch genug). Dabei sind die ersten 90 Seiten noch nicht wahnsinnig spannend. Man lernt die Protagonisten und ihre Beziehungen zueinander kennen und man folgt Susan nach Johns tragischem Tod zu ihrer neuen Arbeitsstelle. Stellenweise liest sich das Ganze anfangs noch wie ein durchschnittliches Soap-Drama.
Aber dann nimmt „Köpfe“ richtig Fahrt auf und führt den Leser auf einen rasanten, spannenden und fiesen Trip. Denn bei der Stiftung kommt Susan grauenhaften Experimenten auf die Spur, die schon in den 1980er Jahren eine düstere, aber mögliche Zukunftsvision waren. Wie weit darf die Medizin gehen? Ab wann verstoßen Experimente gegen jede moralische Richtlinie? In Anbetracht dessen, was heutzutage schon möglich ist, kommen einem diese grausamen Machenschaften gar nicht mehr so abwegig vor … Allein die Vorstellung, was den unfreiwilligen Probanden angetan wird, reicht für die eine oder andere schlaflose Nacht.
Spannend, gruselig – visionär?
Nach einem recht geruhsamen Einstieg nimmt „Köpfe“ in der zweiten Hälfte richtig an Fahrt auf. Der Horrorthriller bietet solide, vor allem zum Finale hin spannende Unterhaltung und stellt durchaus berechtigte Fragen über Recht und Unrecht bei medizinischen Experimenten. Die Thematik des Romans ist dabei erstaunlich gut auch in die heutige Zeit übertragbar. Einen Bonuspunkt gibt es für das Nostalgiegefühl beim Lesen.
8/10 Köpfe
Die nackten Fakten
Deutscher Titel: Köpfe
Originaltitel: Heads
Autor: David Osborn
Verlag: Paul Zsolnay Verlag
ISBN: 9783552037281
Erscheinungsjahr: 1985
Seitenzahl: 245
Übrigens: Der Penhaligon Verlag hat „Köpfe“ wohl in den 2010ern unter dem neuen Titel „Tödliches Experiment“ neu aufgelegt. Also Achtung, dabei handelt es sich um dasselbe Buch!

