Cover Gail Jones: Sechzig Lichter. Foto: Edition Nautilus
Familienroman,  Historisches

Gail Jones: Sechzig Lichter

„Sechzig Lichter“ ist der zweite Roman der gebürtigen Australierin Gail Jones, der 2008 in Deutschland bei Edition Nautilus erschien. Bereits ihr Debütroman „Black Mirror“ war von Kritikern hochgelobt worden und sahnte eine Reihe an Nominierungen und Auszeichnungen ab.

Lucy auf großer Reise

Lucy Strange und ihr älterer Bruder Thomas stammen gebürtig aus Australien, mussten jedoch nach dem Tod der Eltern 1860 nach England umsiedeln. Denn dort lebt Neville, der Bruder ihrer Mutter, der die beiden bei sich aufnimmt. Neville ist nicht unbedingt ein Vorzeigeonkel, aber nach und nach entwickelt er Gefühle für seine beiden Schützlinge.

Als Lucy ins heiratsfähige Alter kommt, beschließt Neville, sie mit einem seiner Freunde in Indien zu verheiraten. Doch auf der langen Reise nach Indien hat die junge Frau eine Affäre mit einem verheirateten Mann. Sie wird schwanger und wird zurück nach England geschickt, sobald sie entbunden hat.

Wieder zuhause angekommen, hat sich nicht nur dort einiges verändert. Auch für Lucy beginnt ein neues Leben, das sie so nicht erwartet hat. Sie beginnt als Fotografin zu arbeiten. Doch ihre kleine Tochter Ellen wird schnell ihr Lebensmittelpunkt und sie geht völlig in der Mutterrolle auf. Dann erleidet Lucy den nächsten Schicksalsschlag …

Passend gewählte Namen

Den Rahmen der Erzählung bildet die Zeit des British Empire, eine Zeit voller bahnbrechender Erfindungen, politischer Veränderungen und wirtschaftlicher Neuerungen. Alles scheint neu und schnell zu sein, ein Umbruch jagt den nächsten. In einer solch atemlosen Zeit muss Lucy ihr vielleicht nicht abenteuerliches, aber ereignisreiches Leben bestreiten – inklusive der Probleme als Mutter eines unehelichen Kindes und Frau in der Arbeitswelt.

Der Roman lebt von den Beobachtungen und den kleinen Details. Lucy als Fotografin und Erzählerin lässt die Leser teilhaben an ihren Beobachtungen, beschreibt sie wie Fotografien, so dass sie immer wieder wunderschöne Bilder erzeugt. Manchmal sind es Momentaufnahmen, manchmal festgehaltene Erinnerungen, die sich einprägen. Diese „sechzig Lichter“ – in 60 Kapiteln – geben dem Roman seinen passenden Namen.

Und auch sprachlich kann Gail Jones’ zweites Werk absolut überzeugen. Ihr Stil ist sehr poetisch und bildhaft und regt zum Träumen und Nachdenken an. Dabei hat sie mit Lucy die perfekte Protagonistin, die all diese Beobachtungen einfängt und zu ganz besonderen Momenten macht.

Auch Lucys Nachname „Strange“ – zu Deutsch seltsam oder fremd – ist nicht zufällig ausgewählt und passt perfekt. Überall, wo sie ist, ob auf der Reise von Australien nach England, nach Indien oder wieder zurück, ist sie fremd und muss sich behaupten. Und auch für Lucy ist alles, was sie sieht und entdeckt, fremd und seltsam, sie will es begreifen und verstehen und sucht die besonderen Details.

Poetisch und berührend

Mit Lucy Strange lernen die Leser eine wunderbare, sympathische und lebenshungrige Frau kennen, mit der man mitfiebern und mitleiden kann. Poetische Sprache, berührende Momentaufnahmen und viele kleine, nachhallende Details machen „Sechzig Lichter“ zu einem besonderen Leseerlebnis.

8/10 Momentaufnahmen

Die nackten Fakten

Deutscher Titel: Sechzig Lichter
Originaltitel: Sixty Lights
Autor: Gail Jones
Verlag: Edition Nautilus
ISBN: 9783894015626
Erscheinungsjahr: 2008
Seitenzahl: 222

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