
Richard Laymon: Die Insel
Richard Laymon gehört, auch wenn er leider bereits 2001 verstorben ist, immer noch zu den großen Namen des Horrorgenres. Der US-amerikanische Horrorautor hat seine ganz eigene Nische mit viel Blut und Gewalt gefunden, die viele Fans um sich geschart hat. „Die Insel“ erschien 2006 in Deutschland, ganze 15 Jahre nach der Veröffentlichung in den USA.
Ab auf die Insel
Familie Collins macht einen Jachturlaub Richtung Bahamas. Familienoberhaupt Andrew nebst Ehefrau Billie sowie die drei Töchter Thelma, Kimberly und Connie mitsamt ihren Partnern genießen die Reise in vollen Zügen. Mittendrin: der 18-jährige Rupert, Connies Freund. Dass er nach dem Ausflug mit ihr Schluss machen wird, ist längst beschlossene Sache. Aber das hat ja Zeit bis zur Rückkehr …
Bei einem Ausflug auf eine einsame Insel, auf der die Reisegruppe picknickt, geschieht das Unfassbare: Die vor Anker liegende Jacht fliegt plötzlich in die Luft, und mit ihr Thelmas Ehemann Wesley, der auf dem Schiff geblieben ist. Ausrüstung, Vorräte, Kleider, alles geht mit Jacht und Wesley unter.
Jetzt heißt es, kühlen Kopf zu bewahren und nach einer Lösung zu suchen, wie die Familie die Insel wieder verlassen kann. Wie könnte man Kontakt zur Zivilisation aufnehmen? Können noch irgendwelche Vorräte aus dem Wasser geborgen werden? Wie soll es weitergehen?
Dann findet die Gruppe Keith, Kimberlys Ehemann, ermordet im Dschungel. Panik bricht ebenso aus wie lang gehegter, unterdrückter Groll. Denn die Familie hat nicht wenige dunkle Geheimnisse, die jetzt ans Licht kommen; anstatt zusammenzuhalten, beginnen die Überlebenden miteinander zu streiten. Und der Mörder hat noch längst nicht genug …
Mörderischer Urlaub
Das Szenario in „Die Insel“ ist schon mal vielversprechend: eine Südseeinsel fernab der Schiffsrouten, eine Gruppe Gestrandeter und ein blutrünstiger Killer, der gnadenlos tötet. Und zu Beginn geht dieses Konzept voll auf. Die ausweglose Anfangssituation heizt die Spannung an und das Rätselraten um den Mörder geht los.
Vor allem mit der Erzählperspektive kann der Roman punkten. Rupert hält die Ereignisse aus seiner Sicht in einer Art Tagebuch fest. Dadurch gibt es immer wieder Andeutungen, offenbarende Rückblenden und Vorausdeutungen, die die Spannung hochhalten.
Andererseits ist diese Erzählform auch eine Schwäche des Romans, denn sie steht und fällt nun mal mit dem Erzähler. Und der ist ein spätpubertärer, sexistischer, feiger Junge, der mehr Interesse an den Bikinis der Frauen zeigt als an der Mördersuche.
Und das reicht nicht zu einem guten Horrorthriller. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto abstruser und unglaubwürdiger werden die Ereignisse, zudem sind die 560 Seiten unnötig aufgebläht mit Wiederholungen und sinnfreien Dialogen, die das Tempo merklich herausnehmen.
Auch die Charaktere können nicht überzeugen, sind sehr oberflächlich gezeichnet und zeigen das typische Klischeeverhalten, bei dem man sich gegen die Stirn hauen und laut losschimpfen möchte. Und was die Story und die Charaktere nicht hergeben, nämlich Sinn, wird mit deftigen Gewaltszenen und Ruperts Sexfantasien ausgeglichen.
Tiefgang? Fehlanzeige
Für mich gehört die Insel eher zu den schwächeren Romanen von Richard Laymon. Weder die Handlung noch die Charaktere zeigen Tiefe, der Gemetzelfaktor ist dafür umso höher. Mit Rupert als sexistischem Ich-Erzähler punktet „Die Insel“ ebenfalls nicht, auch wenn die Perspektive die Spannung immer wieder hochtreibt. Was den Roman vor allem rettet, sind Laymons kurzweiliger Schreibstil und – ja, das Gemetzel. Zartbesaiteten ist „Die Insel“ jedenfalls nichts zu empfehlen.
5/10 Schiffbrüchige
Die nackten Fakten
Deutscher Titel: Die Insel
Originaltitel: Island
Autor: Richard Laymon
Verlag: Heyne Hardcore
ISBN: 9783453675117
Erscheinungsjahr: 2006
Seitenzahl: 560

