
Scott Smith: Dickicht
Eine Gruppe argloser Touristen, ein tropischer Urwald fernab der Zivilisation und mitten im Nirgendwo einige Ruinen, wo das Grauen lauert … Ich würde sagen, „Dickicht“ von Scott Smith klingt verdammt vielversprechend. Der Horrorthriller ist schon ein paar Jahre alt. Es gibt mittlerweile sogar einen Film dazu, dessen Titel „Ruinen“ sich enger am Originaltitel hält. Gegen ein lauschiges Horrorbuch habe ich nie etwas einzuwenden, also schauen wir uns das mal näher an.
Eine Reise in die grüne Hölle
Jeff, Amy, Eric und Stacy genießen ihren Urlaub in Mexiko in vollen Zügen. Das Wetter in Cancun ist herrlich, die Wellen rauschen einladend, es gibt jede Menge Tequila und überhaupt kann man sich herrlich treiben lassen. Was kann man sich Schöneres vorstellen, vor allem wenn nach der Rückkehr der Ernst des Lebens an der Universität auf sie wartet?
Dann lernen die vier jungen Amerikaner den Deutschen Matthias kennen. Matthias ist auf der Suche nach seinem Bruder, der mit einer Archäologin und ihrem Team zu einer Ausgrabungsstätte im Urwald aufgebrochen, aber nicht mehr zurückgekehrt ist. Ob ihm und den Archäologen im Dschungel etwas zugestoßen ist?
Die Amerikaner beschließen, Matthias zu helfen, und begeben sich gemeinsam mit einer weiteren Urlaubsbekanntschaft auf die Suche. Als sie die Ausgrabungsstätte erreichen, finden sie dort nichts weiter vor als von der Vegetation überwucherte Ruinen. Niemand scheint hier zu sein. Doch warum wollen die Mayas aus dem nicht weit entfernten Dorf die jungen Leute nicht wieder gehen lassen?
So so, ein ungemütlicher Urwald-Trip
Darf’s auch etwas mehr sein? Diese Frage stellt sich bei „Dickicht“, das im Original den wesentlich passenderen Namen „The Ruins“ trägt, eher weniger. Gut zweihundert Seiten hätte man aus dem Manuskript durchaus streichen können, bevor man es auf die Leserschaft losließ. Das liegt nicht an Scott Smith’ Schreibstil oder der Story an sich. Der Horrorthriller hat viel Potenzial und eine relativ unverbrauchte, gute Grundidee.
Allerdings zieht sich das Geschehen vor allem zu Beginn und im Mittelteil unnötig in die Länge, der Grusel lässt zu lange auf sich warten und die Spannung will anfangs nicht richtig in Gang kommen. Bis man an den Punkt kommt, an dem es so richtig losgeht, vergeht zu viel Zeit.
Sobald die bunt gemischte Truppe die Ausgrabungsstätte erreicht, steigern sich Spannung und Grusel nämlich radikal. Denn das Setting mitten im Dschungel und die Situation mit den Mayas wirken durchaus bedrohlich und unterhalten prima.
Die Charaktere bleiben, wie man es aus vielen Horrorromanen kennt, etwas blass und eher funktional. Spätestens dann, wenn die Verwicklungen innerhalb der Gruppe ausarten und sich die über allem schwebende Bedrohung im dritten Drittel endlich manifestiert, spielt das aber alles keine Rolle mehr, denn jetzt verwöhnt die Story seine Leser mit Spannung, Grusel, Ekel und Action en masse. Dagegen ist das fiese und blutige Finale fast ein bisschen zu abrupt vorbei; hier hätte Smith seinen Lesern durchaus etwas mehr Zeit zum Genießen lassen können.
Leerlauf vs. Pageturner
Scott Smith lässt mich etwas ratlos zurück. Einerseits reißt einen die Story in ihren starken Momenten gnadenlos mit und mutiert zum regelrechten Pageturner. Andererseits gibt es zu viele Längen, es passiert zu wenig. Wer dem Horrorgenre ohnehin nicht zugetan ist, der kann einen großen Bogen um „Dickicht“ machen. Horrorfans werden hin und wieder Probleme mit dem Leerlauf haben, sich jedoch mit Sicherheit gut unterhalten fühlen, sobald es ans Eingemachte geht.
6 von 10 Ruinen
Die nackten Fakten
Deutscher Titel: Dickicht
Originaltitel: The Ruins
Autor: Scott Smith
Verlag: S. Fischer Verlag
ISBN: 9783596176168
Erscheinungsjahr: 2007
Seitenzahl: 480

