
Washington Irving: Die Legende von Sleepy Hollow
Viele von euch kennen sicherlich Tim Burtons „Sleepy Hollow“, einen düsteren Fantasyfilm mit Christopher Walken, Johnny Depp und Christina Ricci in den Hauptrollen. Ich wusste zwar, dass dem Film eine Kurzgeschichte von Washington Irving zugrunde liegt, aber ich wollte diese Kurzgeschichte unbedingt endlich mal lesen. Und das habe ich gemacht: Gerade mal 46 Seiten umfasst „Die Legende von Sleepy Hollow“.
Der kopflose Reiter
Sleepy Hollow ist eigentlich ein verschlafenes, ruhiges Fleckchen Erde in der Nähe von Tarry Town. Hier passiert nicht viel und trotzdem gilt das Tal als verwunschen. Denn angeblich treibt der Geist eines hessischen Söldners hier sein Unwesen – und zwar in Form eines kopflosen Reiters, der vor allem des Nachts unterwegs ist.
Der Schulmeister Ichabod Crane ist ein Mann der Lehre und trotzdem heillos dem Aberglauben verfallen. So singt er abends, wenn er allein im Dunkeln unterwegs ist, gerne Psalmen, um sich vor allerlei Geistern und dunklen Wesen zu schützen.
Eines Abends ist Ichabod bei dem wohlhabenden Bauern Baltus van Tassel, auf dessen Tochter Katharine, der Schulmeister ein Auge geworfen hat, zu einem Festmahl eingeladen. Die Gesellschaft trinkt und speist sehr gut und irgendwann werden auch Schauergeschichten erzählt. Brom Bones, ein Rivale Ichabods im Kampf um Katharines Gunst, berichtet dabei, wie er sich einmal mit dem kopflosen Reiter ein Wettrennen zu Pferde geliefert hat.
Und schließlich muss der abergläubische Ichabod allein den Heimweg antreten …
Kurzweilig und charmant
Tatsächlich ist „Die Legende von Sleepy Hollow“ neben „Rip Van Winkle“, ebenfalls von Washington Irving, eine der ersten Kurzgeschichten der amerikanischen Literatur und ihre Wurzeln liegen offenbar in einem deutschen Märchen (danke, Wikipedia). Sie hat also einen besonderen historischen Stellenwert.
Wer Angst hat, bei einem so alten Text auch eine behäbige Ausdrucksweise vorzufinden, den kann ich beruhigen: Natürlich liest sich die Geschichte anders als moderne Werke, aber Irving hat einen angenehmen, kurzweiligen Stil.
Was gleich zu Beginn auffällt, ist der charmante, subtile Humor. Vor allem Protagonist Ichabod Crane ist „Opfer“ dieses Humors. Er wird unvorteilhaft beschrieben, sowohl äußerlich als auch charakterlich, aber doch immer mit einem Augenzwinkern.
Von Anfang an ist „Die Legende von Sleepy Hollow“ stimmungsvoll. Man springt als Leser direkt in die damalige Zeit, erlebt den Alltag und lernt einige der Einheimischen näher kennen. Viel Story gibt es bei nicht einmal 50 Seiten natürlich nicht; die ersten 40 Seiten bestehen quasi aus Einleitung, bevor die Geschichte auf den Punkt kommt.
Und das ist letztlich der Grund, warum diese klassische Schauergeschichte nicht mehr Punkte bekommt. Das eigentliche Thema wird derart knapp gehalten, dass ich nach der Lektüre enttäuscht war. Natürlich habe ich keine schriftliche Fassung von Tim Burtons Film erwartet, aber etwas mehr Schauer hätte der Geschichte gut getan.
Der Reiter kommt zu kurz
Charmant und kurzweilig präsentiert sich die Kurzgeschichte „Die Legende von Sleepy Hollow“. Für eine Schauergeschichte war die Thematik des kopflosen Reiters absolut passend – nur leider gab es von ebendiesem nur wenig zu sehen und zu hören.
6/10 kopflose Reiter
Die nackten Fakten
Deutscher Titel: Die Legende von Sleepy Hollow
Originaltitel: The Legend of Sleepy Hollow
Autor: Washington Irving
Verlag: aionas weltliteratur
ISBN: 9781519758279
Erscheinungsjahr: 2015 (Original 1820)
Seitenzahl: 46

